Vortag

Tja. Die Kohle ist alle und ein Job hat sich ja leider nicht eingestellt. Wir schreiben den 27.09.2006 und ich packe meine Sachen. Mein Zielhafen ist Schuby bei Schleßwig im Landkreis Flensburg – der hohe Norden Deutschlands also. Von da sollte ich mit ein wenig Glück relativ einfach im nächsten Sommer wieder nach Schweden starten können. Aber das ist noch Zukunftsmusik. Morgen früh möchte ich Segel setzen und die schlappen 2000km in nur zwei Tagen runter reißen. Eigentlich möchte Sanna mich bis Stockholm begleiten, doch sagt sie noch mitten in der Nacht wieder ab. Der Bus steht gepackt vor der Türe und nur mein Laptop und Idas alte 15″ Röhre stehen noch in der Hütte auf dem Tisch. Eine Mail für ein Vorstellungsgespräch trudelt gegen späten Abend ein. Danke fürs Gespräch.

1. Reisetag

Ich bin gegen 13:00 Uhr in Sundsvall angekommen. Der Tageskilometerstand behauptet läppische 476km. Nachdem ich morgens um 5 Uhr im strömenden Regen abgefahren bin sind es nun gefühlte 20°C mit Sonnenschein. Mein Außenthermometer ist natürlich pünktlich zur Reise wieder krepiert. Ich schreibe Farya die erste SMS, da ich versprochen habe mich unterwegs zu melden.

In Sundsvall ist mein erster Checkpoint. Ich habe versprochen für Charly ein paar Kleinigkeiten einzukaufen. Hier sehe ich auch meinen ersten Ikea in meinem ganzen Schwedenaufenthalt! Für Ortsfremde gibt es am Infopunkt einen Kartenautomaten. Wir drücken das Knöpfchen und werden aufgefordert zu warten. Nach einiger Zeit drücke ich erneut. Als immernoch nichts passiert schnappe ich mir mein Allzwecktool und ziehe die versprochene Karte mit der Zange vorsichtig aus dem Automatenschlitz, in dem sich bereits ein halbes dutzend Karten verklemmt hat.

Biltema. Hier bekommt man alles, was das Schrauberherz begehrt. Der einzige Haken: Biltema versendet nichts. Man muss schon selbst kommen. Ich erledige meine Einkäufe und bestaune noch einen wunderschönen T2, der einige Ehrenrunden im Kreisverkehr vor mir dreht. Eine Stunde später werfe ich eine leckere Pizza Hawaii in einer schäbigen Pizzeria an der E4 ein.

Die Fahrt Richtung Stockholm verläuft sonst relativ ereignislos. Die meiste Zeit hänge ich im Windschatten eines Lasters mit der großen Aufschrift AGA. Er hat sehr viele Bremsleuchten, was mir sehr gut gefällt. Hinter AGA fahre ich schon den halben Tag her. Trotz Pausen, Einkäufen und Tanken treffe ich den Truck früher oder später immer wieder. Ich bedauere es fast als er kurz vor Stockholm sein Ziel erreicht und von der Autobahn fährt.

Stockholm, 21:30 Uhr. Die ersten 900km sind geschafft und ich stehe im Stau. Der erste Stau seit 7 Monaten: Die Zivilisation hat mich wieder. Ich freue mich wie ein Schnitzel, als meine ersten Modifikationen am Bus zur Geltung kommen. Mit einer lässigen Schalterbetätigung verhindere ich die Überhitzung des Motors und sorge für unbeschlagene Spiegel, während die Anlage flotte Musik, die mich wach hält, aus dem geöffnetem Fenster röhrt. Draußen ist es zwar kalt aber ich habe ja Sauna im Bus. Nach dem Stau geht es rasant durch die Stadt und längst vergessene Fahrfertigkeiten kommen wieder zum Vorschein. Fahren bei dichten Verkehr in der Großstadt: Immerhin habe ich genau so meinen Führerschein damals geschafft. Schnell habe ich die Stockholm hinter mir gelassen.

E4, 03:00 Uhr. Ich habe 1040km geschafft und rolle mich für einige Stunden Schlaf quer über die Vordersitze zusammen. Bisher bin ich mit der 30 Minuten-Schlaf Technik schon sehr weit gekommen, doch nun brauche ich eine größere Pause. Ich bin zufrieden mit den geschafften Kilometern und auch der Bus macht keinerlei Zicken.

2. Reisetag

Nach vier Stunden Schlaf geht es weiter. Ich lasse es ruhig angehen. Um 8:16 Uhr bin ich bei 1124km und erfreue mich an einer Fertigsuppe während ich die ersten warmen Sonnenstrahlen genieße. Hier ist ja noch richtig Sommer! Auch treffe ich immer mehr Deutsche, die ebenfalls auf der E4 Richtung Süden fliehen – den Winter auf den Versen.

E4, 11:30 Uhr. Nach 1300km habe ich meine letzten Schwedischen Kronen vertankt. Ich möchte mit meiner EC-Karte bezahlen, was natürlich nicht funktioniert. Nun gut, ich fahre eine Tankstelle weiter. Nach der dritten Tankstelle kommt mir die Sache spanisch vor und ich nehme Verbindung mit meiner Bank auf. Mir wird gesagt, dass der Teil meines Magnetstreifens auf der Karte, denn die EC-Terminals an Tankstellen lesen, wohl beschädigt ist. An Bankautomaten direkt funktioniert alles wie gewohnt. Ich erreiche auf dem letzten Tropfen Sprit eine Kleinstadt und folge dem Plan. Nachdem ich wieder volltanken konnte, entscheide ich mich über ein angebautes Fertigschnitzel am Kiosk neben der Tankstelle. Um 14:20 Uhr erreiche ich einen Rasthof mit eigenem Süßigkeitenladen. Ich kaufe mich einmal quer durch die Regale und fahre mit Bauchschmerzen weiter. Die Welt ist wieder in Ordnung.

15:15 Uhr erreiche ich Helsingborg und damit die Fähren. Diese geht sofort und ich darf mich diesmal zu den Großen stellen. Zwischen LKWs eingeklemmt bleibe ich gleich im Cockpit und genieße 20 Minuten Ruhe. Dann ist die Überfahrt auch schon wieder vorbei und ich erreiche Dänemark. Mein Radio sucht sich neue Sender und ich stelle schockiert fest, dass ich einen Großteil des dänischen Gequassel verstehen kann. Einen Stau später erreiche ich die Autobahn.

Kaff, 21:11 Uhr. Ich habe 1735km auf der Uhr stehen und erreiche ein kleines Kaff. Die Geschichte mit der EC-Karte fängt an mich so richtig zu nerven. Ich bin mir nicht sicher ob das Tankstellensystem genau wie in Schweden funktioniert und frage eine freundliche Dänin. Sie erklärt mir alles ganz ganz genau (Und das Benzin kommt dann da rein..) und schenkt mir im Anschluss noch einen orangenen Kuschelaffen. Ich bedanke mich artig für meinen neuen Beifahrer und hole mir einen Burger an der Pizzeria gegenüber. Auf dem Rastplatz vor dem Kaff, wo ich den Burger in Ruhe essen wollte, scheuche ich zwei Pärchen in ihren Autos auf, als meine schwedische Flutlichtbatterie die Nacht zum Tag macht. Verschuldigung!

Mitternacht. Ich passiere die Grenze nach Flensburg. Nachdem mich der Wind fast von der langen Brücke auf der E20 geweht hatte, konnte ich gute Fahrt machen. Ärgerlich war mal wieder die EC-Karte, da ich umgerechnet fünf verflixte Euro zu wenig für die Brücke dabei hatte und nochmal abdrehen musste. Das einzige Auto in der Nähe ist ein schwer beladener T4, der meinte komisch zu werden, als ich mich an die Geschwindigkeitsbegrenzung am Grenzübergang hielt. Ein Jammer dass ich meine 130km/h beladen noch schaffte und er sich trotzdem mit meinen Rückleuchten zufrieden geben musste.


(Bild am nächsten Tag aufgenommen – Norddeutschland!!)

Schuby, 1:17 Uhr. Mit knappen 1900km erreiche ich meine neue Unterkunft bei Wolf. Eine Umleitung hat mich nochmal 100km im Kreis geschickt und ich fühle mich sofort wieder zu hause in der Heimat. Ich falle nach kurzer Willkommensrunde totmüde in mein neues Bett und verschlafe den nächsten Tag beinahe komplett. Ich habe es geschafft – Deutschland hat mich wieder 😀

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